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Schutz und Förderung der Insektenvielfalt im Landkreis Göttingen

Das Projekt
Vor dem Hintergrund des Insektensterbens wurde im Mai 2019 im Göttinger Kreistag der Beschluss gefasst, kreiseigene Flächen auszuwählen, die insektenfördernd gestaltet werden können. Dazu zählen zum einen die Gelände der weiterführenden Schulen, zum anderen Flächen, die von den Kreisstraßenmeistereien gepflegt werden.
Bis Ende April 2022 werden im Rahmen einer vom Landkreis finanzierten und beim LPV Landkreis Göttingen angesiedelten Stelle durch unseren Mitarbeiter Fionn Pape insektenfördernde Maßnahmen in Kooperation mit den Schulen und Straßenmeistereien angestoßen und umgesetzt. 
Der Landkreis Göttingen unterstützt auf Antrag die Maßnahmen der kreisangehörigen Städte und Gemeinden (außer der Stadt Göttingen) im Rahmen des Projektes "Förderung der Biodiversität - Umgestaltung öffentlicher Flächen in insektenfreundliche Flächen" mit   50 % der zuwendungsfähigen Kosten aus Ersatzgeldmitteln. Mehr Informationen.

Fördermaßnahmen für die Insektenvielfalt – gewusst wie


Fachlich gut geeignete und wirksame Fördermaßnahmen für Insekten umfassen vor allem Vorhaben, die das Blüten- und Nistplatzangebot für offenlandbewohnende Arten verbessern, da Waldarten meist weniger gefährdet sind. Die Pflanzung von Gehölzen, insbesondere im größeren Umfang, ist im Einzelfall kritisch zu diskutieren. Viele Insekten sind „Kinder der Sonne“, das heißt, sie benötigen Licht und Wärme.
Hier werden Maßnahmen vorgestellt, die eine Vielzahl von Insektenarten fördern. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf den Wildbienen, da sie zum einen besonders gefährdet sind, zum anderen Bedingungen benötigen, die vielen weiteren Insektengruppen entgegenkommen. Deshalb können sie als Schirmarten für die Insektenvielfalt angesehen werden. Außerdem sind Wildbienen für die Umweltbildung sehr gut geeignet, da sie außerordentlich friedlich sind und sich z.B. an Nisthilfen gut beobachten lassen.


Schwarzbürstige Blattschneiderbiene (Megachile nigriventris)
Pfirsichblättrige Glockenblume (Campanula persicifolia)
Blühfläche mit Ackersenf (Sinapis arvensis) und Luzerne (Medicago sativa)

Mähen – weniger ist mehr!


Grundsätzlich ist es oft sinnvoller, bereits bestehende Flächen insektenfreundlicher zu pflegen, als vollständig neue Lebensräume zu erschaffen. Der (großflächige) Umbruch einer alten, potentiell artenreichen Rasenfläche kann sogar schädlich für die Artenvielfalt sein.
Als Beispiel kann eine bisher oftmals im Jahr gemähte Wiese dienen, die man durch Umstellung auf eine einmalige Mahd im September und den Abtrag des Mahdguts gezielt aufwerten kann. Auf nährstoffreichen Standorten kann auch ein erster Schnitt im Mai/Juni erfolgen, viele Pflanzenarten kommen danach ein zweites Mal zur Blüte. Wichtig ist dabei, nicht die komplette Fläche auf einmal abzumähen, sondern – insbesondere blütenreiche – Abschnitte stehenzulassen. Auch über den Winter sollten Altgrasstreifen stehengelassen werden, die viele Arten zur Überwinterung benötigen.


Blühmischungen


Heimische Insektenarten brauchen heimische Blütenpflanzen – dies gilt insbesondere für viele Wildbienenarten, die oftmals hochgradig spezialisiert hinsichtlich ihres Blütenbesuches sind. Viele gezüchtete Kulturarten wie Sonnenblume und Co., die in den meisten Standardmischungen enthalten sind, mögen für das menschliche Auge attraktiv sein – für Wildbienen sind sie es (leider) nicht.
Bei der Auswahl von Saatgut für die Anlage von Blühflächen muss deshalb darauf geachtet werden, dass die Ansprüche der Insektenarten berücksichtigt werden, wenn man das Ziel (Förderung der Artenvielfalt erreichen will). Eine Übersicht finden Sie hier.
Es bleibt noch zu betonen, dass auch bei der Insektenförderung Nachhaltigkeit eines der wichtigsten Ziele ist. Einmal angelegte Blühflächen brauchen meist Pflege und Betreuung, die über den „ersten Spatenstich“ hinausgeht.


Nisthilfen


Nisthilfen für hohlraumbesiedelnde solitäre Wildbienen- und Wespenarten können einer Reihe von Arten helfen. Dies gilt allerdings nur, wenn sie fachgerecht konzipiert sind und die verwendeten Elemente den Bedürfnissen der Arten tatsächlich entsprechen. Insbesondere im Internet existieren eine ganze Reihe von kommerziellen Angeboten, die aufgrund ihrer Bauweise für die meisten Wildbienenarten leider untauglich sind. Eine Übersicht zu fachgerechten Nisthilfen finden Sie hier.
Wichtig zu betonen ist, dass nur ein kleiner Teil der Wildbienenarten Hohlräume in Holz oder Schilf o.ä. besiedelt. Rund 75 % der nestbauenden Wildbienenarten in Deutschland nisten im Erdboden. Ihnen kann man beispielsweise gut helfen, indem man an sonnigen Böschungen Offenbodenbereiche und Steilwände schafft.


Honigbienen?


Die Haltung von Honigbienen ist eine großartige Kulturtechnik und die Honigbienen selber faszinierende Organismen. Die Anzahl von Honigbienen-Völkern hängt ganz maßgeblich von der Anzahl der Imker*innen ab und hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Auch wenn Honigbienen von einigen derselben Gefährdungsursachen beeinträchtigt werden wie ihre wilden Verwandten (Abnahme der Nahrungsressourcen, Einsatz von Insekten- und Pflanzengiften), so sind sie doch nicht primäres Ziel des Naturschutzes, obwohl sie von fachlich guten Fördermaßnahmen für andere Insekten selbstverständlich ebenfalls profitieren. Als Mittel zur Bekämpfung des Insektensterbens ist das Aufstellen von Bienenstöcken nicht geeignet, wohl aber zu Zwecken der Umweltbildung.


Hornklee (Lotus corniculatus)
Fachgerecht konzipierte Nisthilfe
Niströhren der Schornsteinwespe (Odynerus spinipes)

Weitere Initiativen im Landkreis Göttingen


Im Gebiet des Landkreises werden von Naturschutzorganisationen wie BUND, NABU Göttingen, Hann. Münden, Dransfeld & Osterode, BSG (Biologische Schutzgemeinschaft Göttingen) und RÜRIG (Rüstige Renter in Göttingen – Verein für Biotoppflege und Naturschutz e.V.) Maßnahmen in Schutzgebieten und anderen wertvollen Lebensräumen durchgeführt, die selbstverständlich ebenfalls der Insektenvielfalt zugutekommen. Dazu zählen unter anderem viele Kalkmagerrasen und andere nährstoffarme Offenlandlebensräume, die Hotspots der Insektenvielfalt darstellen. Extensive Beweidung nimmt eine kaum zu überschätzende Rolle für den Erhalt vieler Gebiete und ihrer Insektenvielfalt ein, hier spielt der LPV mit der Agentur für Weidetierhaltung eine Schlüsselrolle.

 


Tipps zu insektenfreundlichen Pflanzen & Nisthilfen


Eine kurze Übersicht einiger für spezialisierte Wildbienen besonders attraktiver Pflanzenarten für den Garten finden Sie auf der Seite der BSG (Autor: AK Wildbienen): https://www.biologische-schutzgemeinschaft.de/files/Wildbienen_pflanzen.pdf


Eine ausführliche Übersicht attraktiver Nahrungspflanzen bietet die Website „Faszination Wildbienen“ von Paul Westrich, einem der führenden Wildbienen-Forscher Deutschlands: https://www.wildbienen.info/artenschutz/nahrungsangebot_grundlagen.php


Zwei für viele Wildbienenarten und weitere blütenbesuchende Insekten gut geeignete Blühmischungen bietet Syringa an: https://www.syringa-pflanzen.de/tipps-tricks/die-welt-der-pflanzen-und-kraeuter/wildbienen.html


Eine Übersicht guter Nährgehölze für Insekten finden sie hier (Autor: Fionn Pape): (in Kürze)


Wer besonders (langrüsselige) Hummeln fördern möchte, kann Rotklee oder Luzerne-Flächen anlegen – diese werden auch von rund vierzig solitären Wildbienenarten, Schmetterlingen und vielen anderen Insekten sehr gerne angenommen.


Eine gute Übersicht funktionaler Nisthilfen bietet die Website „Faszination Wildbienen“ von Paul Westrich, einem der führenden Wildbienen-Forscher Deutschlands: https://www.wildbienen.info/artenschutz/nisthilfen_01.php


Hintergrund zum Insektensterben


Insekten sind die mit Abstand artenreichste Organismengruppe der Welt – und erfüllen unersetzliche Leistungen in natürlichen Ökosystemen und der Kulturlandschaft. Dazu zählt die Bestäubung von zahlreichen Wild- und Nutzpflanzen ebenso wie die Rolle von Insekten als Nahrungsgrundlage für viele andere Tierarten wie diverse Vögel.
Doch diese Vielfalt ist bedroht: 2017 rückte die bekannte "Krefeld-Studie" den Rückgang speziell der Fluginsekten in den Fokus der Öffentlichkeit. Demnach ging die Biomasse innerhalb eines Zeitraumes von 27 Jahren um knapp 80 % zurück – untersucht wurden wohlgemerkt Schutzgebiete. Der Rückgang in der „normalen“ Landschaft dürfte kaum geringer sein. In Fachkreisen ist die massive Gefährdung zahlreicher Insektenarten seit langem als Fakt anerkannt und spiegelt sich in den behördlichen „Roten Listen“ wieder, die Fachgutachten über die Bestandssituation der jeweiligen Organismen darstellen. Es ist auffällig, dass Arten, die in der offenen Landschaft siedeln (Weiden, Wiesen und Äcker), besonders stark betroffen sind. Hier lebende Gruppen wie Wildbienen oder Tagfalter sind in Deutschland sehr stark gefährdet:

  • Wildbienen: 52 % der 560 Arten bestandsgefährdet, bereits ausgestorben oder extrem selten
  • Tagschmetterlinge: 54 % der 184 Arten bestandsgefährdet, bereits ausgestorben oder extrem selten

Diese Zahlen beziehen sich auf Deutschland, in Niedersachsen ist die Bestandssituation vieler Arten noch dramatischer.
Auch wenn der Siedlungsraum nur einen vergleichsweise kleinen Teil der bundesweiten Landfläche einnimmt (knapp 14 %), können hier doch eine ganze Reihe von Insektenarten gefördert werden. Ebenso wichtig ist auch der Umweltbildungsaspekt: Ein Großteil der Bevölkerung lebt in den Städten und hat überwiegend wenig Möglichkeiten, Biodiversität & Insektenvielfalt kennenzulernen – und nur was man kennt, kann und will man schützen.